Mit Fertigfutter ist man auf der sicheren Seite?
„Ich würde ja gerne barfen (Biologisch Artgerechte Rohfütterung) aber ich bin unsicher, ob mein Tier dann alles bekommt was es braucht. Da bleibe ich lieber beim Fertigfutter – da ist ja alles drin und ich kann nichts falsch machen“.
Ist das so? Nicht wirklich. Wie war noch die Aussage einer Seminarteilnehmerin?
„Oh, und ich dachte barfen wäre kompliziert! Ein gutes Fertigfutter auszusuchen, ist ja viel schwieriger.“
Ja genau. Und warum ist das so? Fangen wir mal von vorne an.
Es gibt bei Futtermitteln die Kennzeichnung als:
Alleinfuttermittel – diese sind dazu bestimmt, bei ausschließlicher Fütterung den Bedarf des Tieres komplett zu decken. Handelsübliche Trockenfutter sind oft als Alleinfuttermittel deklariert. Der Hersteller muss allerdings im Vorfeld nicht nachweisen, das sein Futter bedarfsdeckend ist. Manchmal werden Futtermittel als Alleinfuttermittel deklariert, bei denen noch nicht einmal die grundlegenden Nährstoffanforderungen erfüllt sind. Der Verbraucher kann dies kaum erkennen.
Ergänzungsfuttermittel – sind Mischfuttermittel, die aus Einzelfuttermitteln zusammengesetzt werden, ohne den Anspruch zu haben, eine vollwertige und bedarfsdeckende Fütterung zu sein. Viele Fertigbarfmischungen sind als Ergänzungsfuttermittel deklariert.
Einzelfuttermittel – sind unvermischte einzelne Futtermittel, wie z.B. Rindertrockenfleisch, Möhrenflocken oder Eierschalenmehl – sie sind nicht dazu geeignet, den gesamten Nährstoffbedarf eines Tieres zu decken.
Diätfuttermittel – sind Mischfuttermittel, die einen besonderen Mehr- oder Minderbedarf bei bestimmten Krankheiten abdecken sollen. Sie sollten nicht ohne Not gefüttert werden, da sie teuer und für gesunde Tiere (manchmal auch für die kranken Tiere) ungünstig zusammen gesetzt sein können.
Merke: Ergänzungs- oder Einzelfuttermittel sollten immer nur einen kleinen Teil der Fütterung ausmachen oder passend zusammengesetzt sein, um den Nährstoffbedarf zu decken. Wird langfristig ein bestimmtes Alleinfuttermittel gefüttert, sollte man überprüfen ob die Fütterung ausgewogen und bedarfsdeckend ist.
Also das wäre geklärt – WENN ein Futter die ganze Zeit über gefüttert wird, dann auf die Packung schauen, ob es ein Alleinfuttermittel ist. Das ist dann schon mal etwas, wenn auch keine Garantie.
Gibt es denn Hinweise auf der Packung, die auf einen versteckten Mangel hinweisen, obwohl es als Alleinfuttermittel deklariert ist?
Ja, und zwar:
Naturbelassene Futtermittel
Oft steht auf der Verpackung „ohne synthetische Zusatzstoffe“ oder „naturbelassen“. Das ist ja toll aber synthetische Nährstoffe sind immer noch besser als keine Nährstoffe (wobei grundsätzlich eine ausgewogene Fütterung aus natürlichen Zutaten ideal wäre). Denn wenn der Hersteller keine synthetischen Nährstoffe zugibt, muss er schon sehr genau auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Futters achten.
Hier ein Beispiel (Nassfutter):
Produktbeschreibung
XY Wild Ragout - Enthalten ist 70% Wild, darunter Muskelfleisch, Herz, Leber, Lunge und 15% Kaninchen. Ohne tierische und
pflanzliche Nebenprodukte, ohne Farb- und Konservierungsmittel, sowie ohne Bindemittel. Das Hundefutter ist eine reine, naturbelassene und gesunde Hundemahlzeit. Alleinfuttermittel für ausgewachsene
Hunde.
Zusammensetzung:
70 % Wild (Muskelfleisch, Herz, Leber, Lunge), 15 % Kaninchen (Muskelfleisch), 15 % Geflügel (Muskelfleisch, Hals)
Zusätze sind keine angegeben, als Alleinfuttermittel wurde deklariert. Was könnte fehlen?
Das Fehlen von Vitamin D und Calcium kann Störungen des Knochenstoffwechsels hervorrufen. Zu wenig Omega 3 Fettsäuren können die Entzündungsneigung des Körpers steigern. Fehlendes Jod kann Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion nach sich ziehen. Eine dauerhafte Fütterung mit diesem Futter ohne die passenden Ergänzungen wäre ungünstig.
Außerdem sind keinerlei Ballaststoffe oder Gemüse enthalten. Dadurch leidet die Verdauung und auch die Darmflora, da die Bakterienvielfalt im Darm von Ballaststoffen genährt wird.
Viel Fleisch in der Dose ist nicht alles. Die Nahrung sollte auch ausgewogen sein, um langfristig die Gesundheit des Tieres zu gewährleisten.
Bei naturbelassenem Trockenfutter können z.B. B-Vitamine, Fettsäuren und Vitamin D fehlen.
Übrigens können auch bei konventionellen Futtermitteln die mit synthetischen Nährstoffen ergänzt werden, Vitamine und Mineralien fehlen. Manchmal sind auch gar nicht alle zugefügten Nährstoffe angegeben, so das man entweder nichts berechnen kann oder beim Hersteller anfragen muss, um genauere Daten zu bekommen.
Wie sieht es denn mit Fertigbarf beim Hund aus?
Beispiel: Geflügel – Schlemmermenü
(70% Geflügelfleisch, Geflügelhaut, Geflügelkarkasse (Knochenanteil), 30% Gemüse)
Rohprotein 11,2 %, Rohfett 12,3 %, Rohfaser 1,5 %, Rohasche 2,8 %
Gekennzeichnet als:
Tiernahrung, Alleinfuttermittel für Hunde
Hier ist nicht aufgegliedert, in welchen Anteilen Fleisch, Haut, und Karkasse enthalten sind. Der Fettanteil von 12,3% ist recht hoch, also wird sehr viel Geflügelhaut verarbeitet sein. Ob der Knochenanteil zur Deckung des Calciumbedarfs ausreicht, ist unklar. Hier fehlen auch die nährstoffreichen Innereien sehr wahrscheinlich komplett (nicht deklariert), sowie Fisch und Omega 3 Fettsäuren. Zugesetzte Vitamine oder Mineralien wurden nicht deklariert, sind also wahrscheinlich nicht vorhanden.
Wie könnte hier die Bedarfsdeckung aussehen (Die Anteile von Fleisch, Haut und Karkasse sind anhand der Reihenfolge geschätzt)?
Legende der Nährstoffe: ME: Megajoule/Kcal; RP: Rohprotein; Ca: Calcium; P: Phosphor; Na: Natrium; K: Kalium; Mg: Magnesium; Cl: Clorid; Fe: Eisen; Cu: Kupfer; Zn: Zink; Mn: Mangan; J: Jod; A: Vitamin A; D3: Vitamin D3; E: Vitamin E; B: B-Vitamine; Biot: Biotin; Nia: Niacin; Pant: Pantothensäure
Katzen und Hunde können Mängel lange Zeit ausgleichen, doch irgendwann kommen Baustellen wie:
Skeletterkrankungen (z.B. Arthrose), Wachstumsverzögerungen, Muskelschwäche, Infektanfälligkeit, Schwächen der Sehnen und Bänder, Vergrauung, Verhornung der Haut, Beeinträchtigung des Sehvermögens, sprödes Fett, Schuppen, Haarausfall, Herzprobleme, neurologische Ausfälle, Harnsteinbildung, Juckreiz, Fressen von außergewöhnlichen Dingen (auch Kot von Menschen oder sich selbst), Leberprobleme usw.
Es lohnt sich erst einmal die Ernährung als Basis zu kontrollieren, bevor eine große Diagnostik beim Tierarzt gemacht wird. Gerade die Deckung der Nährstoffe kann man über das Blut nicht in allen Fällen gut nachweisen (siehe Newsletter Sinn- und Unsinn von Blutuntersuchungen).
Wie sieht es denn mit Fertigbarf bei der Katze aus?
Beispiel: Katzen Gourmet Menü
(55 % Muskelfleisch vom Rind, 25 % Rinderherz, 9 % Rinderlunge, 5 % Rinderleber, 5 % Rinderbrustbein, 1 % Lachsöl)
Gekennzeichnet als:
Alleinfuttermittel für Katzen
Hier ist aufgegliedert, in welchen Anteilen die einzelnen Fleischsorten enthalten sind. Zugesetzte Vitamine oder Mineralien wurden nicht deklariert, sind also wahrscheinlich nicht vorhanden. Mit diesen Angaben kann man aber gut rechnen und ziemlich genau bestimmen, welche Nährstoffe noch fehlen und welche anderen Probleme zu berücksichtigen sind.
Wie könnte hier die Bedarfsdeckung aussehen?
Legende der Nährstoffe: ME: Megajoule/Kcal; RP: Rohprotein; Ca: Calcium; P: Phosphor; Na: Natrium; K: Kalium; Mg: Magnesium; Cl: Clorid; Fe: Eisen; Cu: Kupfer; Zn: Zink; Mn: Mangan; J: Jod; A: Vitamin A; D3: Vitamin D3; E: Vitamin E; B: B-Vitamine; Biot: Biotin; Nia: Niacin; Pant: Pantothensäure
Das sieht schon gar nicht schlecht aus. Vitamin A ist allerdings recht hoch dosiert und reichert sich im Körper an da es ein fettlösliches Vitamin ist, das in der Leber gespeichert wird. Jod und Vitamin E fehlen und Taurin ist knapp, wenn man berücksichtigt, das es frostempfindlich ist und hier der Wert von Frischfleisch berechnet wurde.
Man muss auch ein wenig über den Tellerrand blicken und nicht nur die reine Bedarfsdeckung betrachten, wie man schon beim Taurin sieht.
Auch das Calcium Phosphor Verhältnis (hier 0,7:1) ist ungünstig. Hohe Phosphormengen sorgen für eine Freisetzung von Calcium aus den Knochen, so das dadurch Skelettprobleme entstehen können. Auch die Nieren werden durch soviel Phosphor belastet, da sie den Überschuss abbauen müssen.
Außerdem sind keine Ballaststoffe in Form von Gemüse oder z.B. Flohsamenschalen enthalten, was auf Dauer der Darmflora nicht gut tut. Auch kann Verstopfung auftreten und die Katze muss je nach Fettanteil im Fleisch sehr viel Energie aus Eiweiß ziehen, was auf Dauer den Nieren und auch der Leber schaden kann.
Wichtige Hinweise zum Schluss
- Mal auf die eigene Futterpackung schauen – steht Alleinfuttermittel drauf? Hinweise wie „Vollwertkost“ oder „Vollnahrung“ dienen eher Werbezwecken und auch Ergänzungsfuttermittel können so bezeichnet werden.
- Auch wenn Alleinfuttermittel draufsteht prüfen, ob evtl. ein „natürliches“ Futter ohne Zusätze gefüttert wird. Das ist meist dann der Fall, wenn keine ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe aufgeführt sind oder das Futter als „naturbelassen“ ausgelobt wird.
- Wenn man bisher Fertigbarf füttert sollte man überprüfen, ob überhaupt alles in der Fertigbarf-Ration enthalten ist, was gemäß Beutetierprinzip enthalten sein sollte. Zum Beispiel fehlt oft Vitamin D (z.B. in Form von Forelle/Lachs/Lebertran), Jod (z.B. in Form der Seealge Ascophyllum nodosum), Calcium (manchmal ist der Knochenanteil zu gering), Spurenelemente und B-Vitamine (aufgrund fehlender Innereien) und Vitamin A (aufgrund fehlender Leber).
- Ist man sich unsicher, kann man die Ration durchrechnen lassen. Lieber einmal überprüfen lassen, als ein Leben lang falsch füttern. Bei der Wahl des Ernährungsberaters, Tierarztes oder Tierheilpraktikers aber bitte immer darauf achten, ob eine längere Fachausbildung und laufende Weiterbildungen gemacht wurden. Denn in diesem Bereich gibt es große Qualitätsunterschiede.